20 - Vernichtungsanstalt Tiegenhof - PL

Deportation behinderter Menschen - Zeitgen. Aufnahme: Tageszeitung it.
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(Foto: "Zug der Erinnerung", google-bilderdienst)





630 Kilometer - 0,02 Reichsmark pro Kilometer kostet der Fahrtarif für den Massentransport Reichsbahn Klasse 3 - "Evakuierung aus Luftschutzgründen" - die Fahrt in den Tod für Erna Kronshage


Deportationszug Bielefeld Hbf Dezember 1941 | Foto: dpa/AKG





Reichsbahner 1942: Der Zug fährt ab ... | Foto: daserste.de


Zeitgenössische Bahnhofsszene - Foto: Sammlung Dirk Reinhardt | muldental-history.de

Ausfahrt aus einem Bahnhof - Reichsbahn - 40-/50er Jahre | Foto Carl Bellingrodt
Sammlung Joachim Bügel | bahnen-wuppertal.de

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Bahnhof Gnesen/Gniezno - Ansichtskarte ca. 1930/40


Bahnhof Gnesen/Gniezno - Ansichtskarte ca. 1920/30


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Hier der Ausschnitt aus einer Karte des "Generalstabs des Heeres" von GNESEN/GNIEZNO 1939 1:15000 - links "Provinzial-Irren-Anstalt" Dziekanka - später dann der deutsche Besatzer-Name "Tiegenhof" - Vergrößern: auf Karte clicken ...

(davor und auch heute wieder ist der polnische Name der Klinik: Wojewódzki Szpital dla Nerwowo i Psychicznie Chorych "Dziekanka" im. Aleksandra Piotrowskiego w Gnieźnie) - die Anstaltsbezeichnung "Tiegenhof" war wahrscheinlich eine Willkürbezeichnung - eine Art deutsch-phonetische "Verballhornung" von "Dziekanka" - durch die NS-deutsche Polen-Besatzung von 1939-1945 - und hat zumindest geografisch nichts mit der gleichnamigen Ortschaft "Tiegenhof" zu tun, heute polnisch "Nowy Dwór Gdański",  36 Kilometer südöstlich von Danzig an der Tiege (poln. Tuga) ...   
"Dziekanka" (dt. "Dekanat") bezeichnet wahrscheinlich ein dortiges kirchliches Dekanatsgut - und war vor der Eingemeindung nach Gnesen/Gniezno 1951 eine selbständige Landgemeinde vor den Toren der Stadt mit rund 500 Einwohnern - in der Karte ist in der Nähe der Anstalt auf diesem Gebiet ein "Gutshof" (vielleicht Sitz des kirchlichen Dechanten bzw. Dekans)  eingezeichnet, der wahrscheinlich dem Erzbistum in Gnesen/Gniezno seit altersher zuarbeitete und unterstand ... Inwieweit aus dieser kirchlichen Quellengeschichte des Dekanats "Dziekanka" oder des auf ihm befindlichen Gutes eine Verbindung zu einer Flurbezeichnung "Tiegenhof" aus alter Zeit abzuleiten wäre, sei dahingestellt ... Im Rahmen dazu ist auch die Flurbezeichnung gegenüber der Heilanstalt namens "Kleryka" (Klerus) interessant, der damals ausdrücklich einer Gemarkung  "Kornhof" zugeordnet wird, die im Amtsbezirk "Libau", Kreis Gnesen, verortet wird ... 















Luftaufnahme Anstalt Dziekanka/Gniezno - 88 m Höhe - 2007 - Foto: "Wujekdobrarada" - picoodle.com
















Buchdeckel: 100 Jahre Dziekanka 1894 - 1994 (polnisch)
illustrierender film-still aus: alexandra ranner: "flur", 2016, 24-min-loop-2








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Das Foto zeigt: DR. VICTOR RATKA,1937:*27.11.1895 Ober-Lazisk. Volksdeutscher. 1928 Oberarzt der Anstalt Lublinitz. Ab 1934 Direktor der Anstalt DZIEKANKA im Stadtgebiet Gnesen (nach Okkupation 1939 "Tiegenhof" genannt), während des Krieges reine Mordanstalt. Ab 01.09.1941 als Gutachter zeitweise zur T4-Zentrale abgeordnet, Selektion von Patienten und KZ-Häftlingen ("Aktion 14f13" - Selektionsarzt in KZs zur "Aussonderung" von "asozialen Häftlingen"), 1943 NSDAP. Nach 1945 Pensionär. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Freiburg (Az. 1Js 187/62) gegen Dr. Ratka, das nach dem Kriege wegen Beteiligung an der Durchführung der Tötung von Geisteskranken in Tiegenhof eingeleitet worden war, ist nach seinem Tode (05.04.1966 in Heitersheim) am 08. Juni 1967 als erledigt erklärt worden. - Quelle u.a.: Ernst Klee, Dokumente zur Euthanasie, S. 76 - Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2003



Dr. Victor Ratka als "polnischer" Direktor in Dziekanka auf dem XVIII Kongress der Polnischen Psychiater in Owinska, Juni 1938 - Quelle: "Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939-1945", - Redaktion Zdzislaw Jaroszewski - Warszawa 1993, S. 92 


Die Wojewodschafts-Anstalt für Psychiatrie Dziekanka (dann Gauheilanstalt Tiegenhof - Bezeichnung so durch die deutschen Besatzer) in der Nähe von Gniezno (damals deutsche Bezeichnung Gnesen) hat sich ab dem 11.09.1939 bis zum 21.01.1945  unter ihrem damaligen Direktor Dr.Victor Ratka rasch zu einer Tötungsanstalt entwickelt.
Dr. Ratka hat sofort nach Besetzung durch die deutschen Truppen mit den deutschen Okkupanten in allen Beziehungen kooperiert bzw. kolaboriert. So wurde er als Direktor übernommen, während andere polnische Anstalten nach der Besetzung deutsche Ärzte zum Chefarzt/Direktor benannten. Er erwies sich als williger - ja eifriger Gehilfe bei den Tötungsaktionen der deutschen Besatzungskräfte - zunächst der polnischen Anstaltsinsassen per Gaswagen, die er persönlich Tag für Tag auswählte - und dann der "aus Luftschutzgründen evakuierten" deutschen Verlegungspatienten aus dem Reichsgebiet als neue "Sonderaufgabe", wie man die dezentral organisierten "wilden" Massentötungen zynisch bezeichnete, zu denen dann Ende 1943/Anfang 1944 Erna Kronshage gezählt werden muss.

1941 bis 1943 wurde Dr. Ratka mehrfach als T4-Gutachter nach Berlin einbestellt, wo er dann späterhin nach Aussetzung der "Aktion T4" hauptsächlich zur Selektionsauswahl bei sogenannten "asozialen KZ-Häftlingen" im Rahmen der "Aktion 14f13" u.a. in Dachau mitwirkte - und hierzu die Anstalt Tiegenhof zur "Zentrale" organisierte. Seine Vertretung bei Abwesenheit übernahm zuerst der Baltendeutsche Dr. Wladimir Nikolajew von Mai 1940 bis Juni 1942 (Quelle: Ernst Klee) - ehe dann Dr. Ratka auf seinen Chefarzt-Sessel in Tiegenhof zurückkehrte und von Dr. Wahrhold Ortleb in den Jahren 1942/43 vertreten wurde (Quelle: Ernst Klee). 
Als Gipfel des Zynismus der deutschen Besatzer: Für seine zweifelhaften "Besonderen Verdienste" wurde Dr. Ratka sogar für die "Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse" ernsthaft vorgeschlagen (ebenso wie später Dr. Walter Kipper, Leiter der "Kinderfachabteilung" in Tiegenhof und Organisator der sogen. "wilden Tötungen", wegen "erbbiologischen wichtigen Sonderaufgaben an hervorragender Stelle", Dr. Nikolajew und der Oberpfleger Wilhelm Jobst):

Text: "Dr. Ratka steht seit dem 26.10.1939 in den Diensten der Gauselbstverwaltung. Er hat sich bei dem Aufbau der deutschen Verwaltung als Direktor der Gauheilanstalt Tiegenhof, mit deren Leitung er seit dem Einmarsch der deutschen Truppen beauftragt wurde in hervorragender Weise beteiligt. Er ist wegen besonderer Verdienste in Vorschlag gebracht von der Kanzlei des Führers."
(Vergrößern: Auf das Bild clicken) - Quelle: "Die Ermordung der Geisteskranken in Polen 1939-1945", - Redaktion Zdzislaw Jaroszewski - Warszawa 1993, S. 93


Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Freiburg (Az. 1Js 187/62) gegen Dr. Ratka, das nach dem Kriege wegen Beteiligung an der Durchführung der Tötung von Geisteskranken in Tiegenhof eingeleitet worden war, ist nach seinem Tod dann am 08. Juni 1967 als erledigt erklärt worden.
>>>Zu einer Kurz-Dokumentation Dr. Victor Ratka  - clicken Sie hier ...
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Vor dieser Zeit war Dziekanka eine modern arbeitende polnische Anstalt der Wojewodschaft/des Bezirkes Posen/Poznan nach den damals dort vorherrschenden Standards.
Nach Einzug der deutschen Besatzer wurden zunächst die polnischen Insassen mittels „Gaswagen“ vernichtet, die zur Tarnung die harmlose Aufschrift "Kaisers Kaffee-Geschäft" trugen (ca.1.100 Patienten) — dann die „aus Luftschutzgründen“ evakuierten Patienten aus den deutschen Landen — und zum Schluss des Krieges Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, zumeist aus dem Osten — insgesamt ca. 3586 Menschen 
[in Worten: dreitausendfünfhundertsechsundachtzig Menschen] 
nach früheren Angaben der Klinik Dziekanka (click).


Einen ausführlichen Bericht über die erfolgten Tötungen und Morde in der NS-Vernichtungsanstalt "Tiegenhof" findest du in diesem Bericht: (click)
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Vergrößern: Auf Text clicken ...
http://www.dziekanka.net/
Übersetzung von Polnisch in Deutsch:

Die Zeit der Nazi-Okkupation 11.09.1939 - 21.01.1945

Dies ist eine einzigartige und tragische Periode in der Geschichte unseres Krankenhauses. Der Krankenhaus-Direktor war Dr. Victor Ratka, der unmittelbar im Anschluß an die Invasion der Nazi-Truppen die deutsche Staatsbürgerschaft annahm und sich völlig veränderte in seiner Haltung zu den bestehenden Kollegen - Ärzten, anderes Krankenhauspersonal und Patienten.

Ratka fing an, nur in Deutsch zu sprechen und die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer, vor allem Ärzte, Krankenschwestern und Verwaltungspersonal, wurde aus dem Krankenhaus entlassen, und zum Teil mit ihren Familien deportiert ins Generalgouvernement. Ersetzt wurden sie durch deutsche Arbeiter.


Von Beginn der Besetzung wurde das Krankenhaus ein Ort der Nazi-Politik, ein Ort der Vernichtung der psychisch Kranken, in Übereinstimmung mit der Anweisung zum Patientenmord durch Hitler. Ausgewählte Patienten wurde eine Intoxikation mit Chloral Scopolamin verabreicht, dann ins Auto geladen mit verschließbaren Behältern, damit die Abgase, die ins Auto geleitet wurden, nicht gesehen wurden. Auf diese Weise vergast wurden anfangs Patienten in den Wäldern in einem Abstand von ca. 30-35 km von Gniezno. Die Gräber der Opfer dieser bestialischen Morde wurden leider bis jetzt nicht gefunden.
Spätere Vernichtungsaktionen fanden auch mit unbekannten Chemikalien statt. 
Insgesamt getötet wurden während der Besetzung des örtlichen Krankenhauses Dziekanka/Tiegenhof 3586 Patienten - Polen, Deutsche und Patienten anderer Nationalitäten.
Dieser Text steht (übersetzt mit dem Translator von Google) auf der offiziellen polnischen Homepage der Klinik Dziekanka/Gniezno für die Jahre 1939 - 1945. Viele deutsche Anstalten haben ihre Vergangenheit und Verstricktheit bisher so nicht benannt ... (click)


Untersuchung der Autogaskammer 1945, in der über 1000 polnische  Patienten 
aus der Klinik Dziekanka (Tiegenhof) vom SS-Sonderkommando Lange 
schon ab 1939 getötet wurden.  
Foto des Instituts für Nationale Erinnerung - Polen


















Pavillon 13 in Dziekanka/Tiegenhof Gnesen/Gniezno war ein berüchtigtes Haus. Von hier gingen die Tötungs-Gaswagen - ggf. mit der Tarnaufschrift: "Kaisers Kaffee-Geschäft" - ab, die besonders zur Tötung der polnischen Insassen eingesetzt wurden - jeweils von Dr. Victor Ratka persönlich handverlesen.


















Pavillon 28 Dziekanka-Tiegenhof



 Foto. A. Paradowska | akcja-t4.pl/ Pavillon 16











Video zu einer Chronik der Psychiatrischen Klinik DZIEKANKA/GNIEZNO - PL





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Ein weiterer Bericht über die Zustände in der Tötungsanstalt "Tiegenhof"/Dziekanka wurde 2009 von Karolina Nowak im Rahmen ihrer Magisterarbeit zur Erlangung der Würde des Magister Artium der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. unter dem Titel: "Die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ im Reichsgau Wartheland 1939-1945" vorgelegt - s. unter "Nowak" - "Links zum Thema" - rechtes Sideboard oder als pdf-Version. Hier ist besonders auf den Abschnitt  "5. 1. 2. Die regionale Tötungsanstalt Tiegenhof" (S. 49 - 61) hinzuweisen.

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Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof: Die nationalsozialistische Euthanasie in Polen während des Zweiten Weltkrieges | von Enno Schwanke | 

Gebundene Ausgabe EUR 29,95 | 148 Seiten | Verlag: Peter Lang, Frankfurt; ISBN-10: 3631652364 ISBN-13: 978-3631652367 - Die Studie beleuchtet in ihrer Analyse die Geschehnisse an der einstigen polnischen Anstalt Dziekanka, die ab 1939 mit der Einnahme durch die deutsche Wehrmacht in Tiegenhof umbenannt und zunehmend zu einer Tötungsanstalt umfunktioniert wurde. Auf Grundlage von Zeugenaussagen und Strafermittlungsakten aus dem Bundesarchiv Ludwigsburg werden die Geschehnisse in Tiegenhof von 1939 bis 1945 rekonstruiert und gleichzeitig ein Schlaglicht auf die Anfänge der nationalsozialistischen 'Euthanasie 'geworfen. Die Studie weist nach, dass der frühe Patientenmord im Reichsgau Wartheland wesentlich durch das gaueigene SS-Sonderkommando Lange, eine eigene 'Euthanasie'-Zentrale und den überzeugten Nationalsozialisten und Reichsstatthalter Arthur Greiser bedingt war.


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